van der Spek u.a. (Hrsg.): Money, Currency and Crisis

Cover
Titel
Money, Currency and Crisis. In Search of Trust, 2000 BC to AD 2000


Herausgeber
van der Spek, Robartus Johannes; van Leeuwen, Bas
Reihe
Routledge Explorations in Economic History 80
Erschienen
London 2018: Routledge
Anzahl Seiten
XIX, 377 S.
Preis
£ 95,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Thomas Brüggemann, Seminar für Klassische Altertumswissenschaften, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Der zu besprechende Band geht auf eine Tagung an der Vrije Universiteit Amsterdam (VUA) im Dezember 2014 mit dem Thema „Coins, currency and crisis from c. 2000 BC – c. AD 2000. On silver, paper and trust in historical perspective“ zurück. Der Band konzentriert sich dabei auf die langfristige Entwicklung der Geldwirtschaft und ihre Wechselwirkungen mit der Realwirtschaft. Die Beiträger sind Althistoriker, Assyriologen, Wirtschaftshistoriker und Ökonomen, die eine gleichermaßen diachrone wie diatope Perspektive auf einschlägige Phänomene vom antiken Assyrien bis zu modernen Gesellschaften in Europa, China und den USA ermöglichen. Neben der Einleitung „Money and Trust“ (Kapitel 1, S. 1–12), in der das im Titel liegende Konzept erläutert wird, und der „Conclusion: In search of trust“ (Kapitel 16, S. 346–357), die von den Herausgebern Bert van der Spek und Bas van Leeuwen stammen und dem Buch seinen analytischen Rahmen geben, ist der Band in 14 weitere, chronologisch angeordnete Beiträge, die von Einzelautoren oder Teams verantwortet werden, gegliedert. Diese Teams kreieren dabei durch eine Kombination von selten zusammengespannten Disziplinen gänzlich neue, unerwartete und überraschende Blickachsen und Methoden.

Eine Ausgangsfrage der Herausgeber lautete (S. 1), warum die Menschheit so sehr auf eine „commodity“ vertraue, die zwar einen Wert besitze, aber doch niemanden ernähren, kleiden oder beherbergen könne. Die Antwort darauf werde in der Regel darin gesehen, diese spezielle Ware als „beautiful, shining, rare and durable“ zu charakterisieren, was ihr eine hohe soziale Reputation verschaffe. Sie ließe sich zudem beliebig teilen und könnte im Tausch für Luxusgüter verwendet werden, ein maßgebliches Funktionskriterium in jeder Gesellschaft, in der der Austausch von Geschenken wichtig sei. Eine zweite Ausgangsfrage lautete (S. 2), welche Funktion Geld im Kreislauf der Wirtschaft erfüllt. Die Herausgeber geben auch hier die gängigste Antwort vorab: Geld habe drei Funktionen, es diene als „store of wealth, unit of account and means of exchange“ (ebd.).

Die Erkenntnis, dass das Funktionieren einer jeden Geldwirtschaft einen universellen gesellschaftlichen Konsens des „Vertrauens“ voraussetzt, muss sicher bereits im Zusammenhang mit der Entstehung der Münzprägung und des Münzhandels in der Antike gesehen werden. Man darf jedoch sicher nicht davon ausgehen, dass Münzenwesen und Geld nur an einem Ort und zu einer Zeit „erfunden“ wurde, Geld hat zahlreiche Väter in verschiedenen Kulturen. In vielen Fällen dürfte dem Beginn des Münzhandels der Verständigung auf Silber als Zahlungsmittel vorausgehen. Seit dem 3. Jahrtausend v.Chr. ist Silber als bevorzugtes Tauschmittel, (Ver-)Rechnungseinheit und Wertspeicher sichtbar. Die Geschichte ebenso wie der vorliegende Band zeigen demgegenüber wie zur Bestätigung, dass der Umstieg auf Gold als Zahlungsstandard zumeist Indikator für eine Schwäche der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft bzw. eines Staates war (vgl. Kleber in Kapitel 5, Butcher in Kapitel 7 sowie Xu und van Leeuwen in Kapitel 13).

Unabhängig von der Art des Geldes muss es zwei Bedingungen erfüllen: erstens es muss praktisch und leicht handhabbar sein und zweitens muss es universelle Akzeptanz besitzen. Beide Prämissen bedingen sich dabei prinzipiell gegenseitig: So erfordert eine Steigerung der wirtschaftlichen Entwicklung mehr Geld, beispielsweise als Tauschmittel, was zu einer Ausweitung des Geldumlaufs durch Verringerung seines realen Materialwertes führen kann. Damit dieses Geld seinen Wert behält, ist also mehr Vertrauen erforderlich. Die Herausgeber betonen, dass dieser dem Geld immanente strukturelle Widerspruch der rote Faden sei, der alle Beiträge des Bandes konzeptionell und analytisch verbinde. Sie konstatieren, dass das, woraus Geld bestehe (Gold, Silber, Bronze, Papier, Bits und Bytes), weniger wichtig sei als das Vertrauen in Geld, das in der Regel durch staatliche Geldpolitik erzeugt werde. Speziell dieser Thematik widmen sich die theoretischen Beiträge in den Kapiteln 2 „Six monetary functions over five millennia: A price theory of monies“ (S. 13–36) und 3 „Unproductive debt causes crisis: Connecting the history of money to the current crisis“ (S. 37–54). In Kapitel 2 beschreibt Dennis O. Flynn dabei die Schwierigkeit der Wertfindung bzw. Preisgestaltung von Geld, das zuvorderst auch selbst eine „Ware“ sei, während Dirk Bezemer in Kapitel 3 argumentiert, dass es neben dem Vertrauen in den Wert des Geldes (z.B. Silber) auch auf ein staatlich kontrolliertes Kreditwesen mit transparenten Regeln ankomme.

Eine interessante Frage ist also, woher das Geld seinen Wert bezieht. Im Grunde genommen ist Geld nur ein mentales Konstrukt, dessen Prämisse seine universelle Akzeptanz ist. Es ist dabei naheliegend, dass rohstoffbasierte Währungen in einer besseren Position sind als schulden- oder kreditbasierte Systeme. Tatsächlich verbreitet der Besitz von Silber oder Bargeld aufgrund des realen Wertes mehr Vertrauen als Schuldscheine. In bestimmten Zeiten und Gesellschaften war das Geld nur in so großen Stückelungen verfügbar, dass damit im Alltag nur wenig anzufangen war (Einkäufe, Gehälter). Der Bedarf solchen Geldes an Vertrauen ist natürlich ebenso eingeschränkt wie seine geldpraktischen Funktionen begrenzt sind. Jan Lucassen zeigt in Kapitel 4 „Deep monetization in Eurasia in the long run“ (S. 55–101), wie sich erst die Verkleinerung der Stückelung auf die Verbreitung von Geld in einer Gesellschaft auswirkte und schließlich zu ihrer „deep monetization“ führte.

Bert van der Spek, J. G. Dercksen, K. Kleber und M. Jursa geben in Kapitel 5 „Money, silver and trust in Mesopotamia“ (S. 102–131) einen Überblick zur Rolle (ungeprägten) Geldes in Mesopotamien von etwa 2000 bis 330 v.Chr. In den Volkswirtschaften des Nahen Ostens, in denen zunächst Silberbarren als Währung verwendet wurden, hat der Staat parallel keine weitere Währung initiiert. Silber zirkulierte und war ein Handelsobjekt, das zugleich als Zahlungsmittel in Gebrauch war. Doch der Staat (oder der Tempel) kontrollierte und steuerte den Geldhandel durchaus indirekt und hielt ihn stabil. Denn der vormoderne Staat besaß immer die Macht, die Menge an Silber durch Eroberung und Erbeutung zu erhöhen und über den staatlich kontrollierten Handel in Umlauf zu bringen. Nach der Einführung der Münzprägung hatte er dann die Möglichkeit, den Münzfuß zu manipulieren, indem er das Gewicht der Münzen senkte und den Silbergehalt durch Legierungen mit billigeren Metallen reduzierte. Die Münzprägung selbst ermöglichte für Staaten einen Gewinn, sobald das gesellschaftliche Vertrauen dazu führte, dass der nominelle Wert seiner Münzen ihren Materialwert übersteigen konnte. In dieser Hinsicht entsprach schließlich die Einführung der Bronzemünze schon in vielerlei Hinsicht einer Vorstufe des Fiatgeldes.

J. A. Mooring, Bas van Leeuwen und Bert van der Spek diskutieren den Ursprung der Münzprägung in Griechenland, im Nahen Osten und in China. Dabei gehen sie der Frage nach, warum sie in Griechenland und China, nicht aber im Persischen Reich erfolgreich war. Sie zeigen, dass und wie sich der Münzhandel im Osten erst mit Alexander dem Großen durchsetzte (Kapitel 6 „Introducing coinage: Comparing the Greek World, the Near East and China“, S. 132–148). Bas van Leeuwen, Panagiotis P. Iossif und Peter Foldvari wagen in Kapitel 7 „The introduction of coinage in the Seleucid Empire and the Euro in the European Union: A comparison of stock and velocity“ (S. 149–164) den Vergleich zwischen dem Grad der Monetarisierung im Seleukidenreich und dem Münzumlauf im Euroraum. In Kapitel 8 „Monetary policy in the Roman Empire“ (S. 165–184) untersucht Kevin Butcher die Geldpolitik im Römischen Reich, während Nick Mayhew in Kapitel 9 „Money in England from the Middle Ages to the nineteenth century“ (S. 185–205) in einer Tour d’Horizon vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert die Rolle von Silber und Geld in England rekonstruiert.

Die Autoren stellen im Laufe der Zeit eine zunehmende Divergenz zwischen nominellem und realem Geldwert fest, einhergehend mit entsprechenden politischen Maßnahmen, das Vertrauen in Währungen zu erhöhen. Im ausgehenden Mittelalter und in der Frühen Neuzeit scheint diese Entwicklung erheblich an Dynamik gewonnen zu haben. In Kapitel 10 „Incentives and interests: Monetary policy, public debt, and default in Holland, c. 1466–1489“ (S. 206–223) untersucht Jaco Zuijderduijn die Geldpolitik, die Staatsverschuldung und Zahlungsausfälle in Holland im 15. Jahrhundert, während Oscar Gelderblom und Joost Jonker in Kapitel 11 „Enter the ghost: Cashless payments in the early modern Low Countries, 1500–1800“ (S. 224–247) auf das Sonderphänomen „ghost money“ eingehen, also die Einführung einer Währung ohne greifbare Münzen. Die Bedeutung von (Edel-)Metallen als Medium von Geld hat also infolge einer zunehmend diversifizierten staatlichen Geldpolitik stetig abgenommen. Dadurch entfernte sich der reale Wert von Münzen und Hartgeld mehr und mehr vom Nennwert und kulminierte schließlich in der globalen Einführung von Papiergeld.

Die Frage, wie sich solche staatlichen Finanzinstrumente im Laufe der Zeit entwickelt haben und wie sich dies auf das Vertrauen in eine Währung auswirkte, wird in verschiedenen Kapiteln behandelt. Richard von Glahn zeigt in Kapitel 12 „Paper money in Song-Yuan China“ (S. 248–266), dass während der mongolischen Dynastie in China (1271–1368) die Etablierung einer dezentralen Finanzverwaltung dem Währungssystem Vertrauen verlieh, was dem Staat ermöglichte, Papiergeld auszugeben. Dass China, das beim Aufbau einer komplexen Geldwirtschaft zunächst viel weiter war als andere Weltregionen, seine führende Position seit dem 13. Jahrhundert an den Westen verlor, wird zudem in Kapitel 13 „Stagnation is silver, but growth is gold: China’s silver period, circa 1430–1935“ (S. 267–284) von Yi Xu und Bas van Leeuwen thematisiert. Sie zeigen beispielsweise, dass ab dem 17. Jahrhundert in China Kupfermünzen zunehmend andere Metalle hinzugefügt wurden und somit der Status quo an Vertrauen wieder verlorenging. Das Aufkommen von Papiergeld, die Senkung der realen Münzwerte und der zunehmende internationale Handel mit Waren und Dienstleistungen, vor allem aber mit Kapital, stellt(e) das 20. und 21. Jahrhundert vor neue Herausforderungen. Juan Castaneda und Pedro Schwartz diskutieren in Kapitel 14 „Confronting financial crisis under different monetary regimes: Spain in the Great Depression years“ (S. 285–312) in ihrer Fallstudie Spanien im 20. Jahrhundert und Umgang moderner Geldpolitik mit Finanzkrisen, während Alessandro Roselli in Kapitel 15 „Money: The long twentieth century“ (S. 313–345) einen mehr grundsätzlichen Blick auf die Rolle von Geld im 20. Jahrhundert wirft und damit den passenden Abschluss der Einzelstudien bildet.

In ihrer ausführlichen Schlussbetrachtung bündeln die Herausgeber die Erträge der vorausgegangenen Studien und analysieren die Ergebnisse in vorbildlicher Weise vor dem Hintergrund der eingangs formulierten Erkenntnisabsichten. Dieses Buch behandelte das Phänomen Geld in einem außergewöhnlich langen historischen Kontext: vom 3. Jahrtausend v.Chr. bis in die Gegenwart. Es behandelt Fragen danach, wie Geld entstand, wie es in verschiedenen Gesellschaften und Volkswirtschaften funktionierte und wie es sich auf die Wirtschaft auswirkte. Welche Auswirkungen hatte die Geldpolitik, welche Geldpolitik war effektiv und welche nicht? Das zentrale Thema dieses Buches, das jede dieser Fragen berührt, ist „Vertrauen“, die Grundlage schlechthin für das Funktionieren von Geld. Als essentiell für gesellschaftliches Vertrauen in Geld erweist sich dabei der Staat, der sich für die Stabilität „seines“ Geldes glaubhaft und nachprüfbar verbürgt. Mit der Einrichtung von Zentralbanken im 19. Jahrhundert wurde jedoch nur die Hälfte des Problems gelöst, da das Kapital zu diesem Zeitpunkt bereits international, aus dem Ausland bedient werden konnte, was von der Regierung kaum mehr zu kontrollieren war. Diese Entwicklungen führten einerseits zu einem steigenden geldpolitischen Regulierungsbedarf und andererseits zu einer Begrenzung der Eingriffsmöglichkeiten einer nationalen Regierung. Das bedeutet in der Gegenwart, dass zusätzliche, neue Vertrauensquellen gefunden werden müssen. Diese können nur im supranationalen Maßstab entstehen, der der globalen Geldwirtschaft auf Augenhöhe gegenüberstehen kann – nationalstaatliche Instrumente allein werden hier kaum ein akzeptiertes und ausreichendes Gegengewicht zu einer „staatenlosen“ globalen Geldwirtschaft und ihren Kapitalflüssen bilden können.

Dass zugunsten einer thematisch unmittelbar zugehörigen Bibliographie für jedes Kapitel auf ein Literaturverzeichnis für den Gesamtband verzichtet wurde, ist eine sinnvolle und nützliche Entscheidung. Für die Entscheidung, Endnoten anstelle von Fußnoten zu verwenden, gilt das nicht. Es ist eine leider inzwischen durchaus übliche Annahme, Fußnoten unterbrächen unnötigerweise den Lesefluss und störten damit den Leser. Es drängt sich die Frage auf, ob es nicht mehr stört, wenn der Leser nur durch ständiges Hin- und Herblättern die Anmerkungen überhaupt zur Kenntnis nehmen kann – oder sind die Anmerkungen wohlmöglich gar nicht zur Lektüre gedacht? Vor dem Hintergrund des großen zeitlichen und sachlichen Spektrums des Bandes hätte der Generalindex (S. 367–375) durchaus etwas umfangreicher und dichter ausfallen können. Dass er durch eine Übersicht der behandelten „Currencies and Coins“ (S. 376f.) ergänzt wird, kompensiert seine Knappheit zumindest ein wenig. Generell ist hervorzuheben, dass alle Kapitel reich und überzeugend mit tabellarischem Datenmaterial und Diagrammen unterfüttert werden, sich der Band also durch eine hohe Materialdichte und -präsentation auszeichnet.

Besonders hervorzuheben ist, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Konferenzband handelt, in dem die Einzelbeiträge nur mehr oder weniger sinnvoll nebeneinander angeordnet sind, sondern die Autoren in der Hälfte der 16 Kapitel in Teams zusammengearbeitet und gemeinsame Fragestellungen verfolgt haben. Die gelungene Form der Interdisziplinarität ermöglicht zuweilen überraschende und nicht sofort erwartbare Einsichten. Dem Band liegt damit ein sehr durchdachtes und gelungenes Konzept mit überzeugenden Ergebnissen zugrunde. Auch die weiteren Beiträge, die Aufsätze einzelner Verfasser, fügen sich in das übergreifende Konzept des Bandes ein, indem sie keine kleinteiligen Spezialthemen, sondern entweder diachron oder diatop den weiteren Horizont einer Fragestellung behandeln.

Zielgruppen sind nach Angaben des Verlages Studierende und Expert/innen auf dem Gebiet der Wirtschaftsgeschichte sowie interessierte Laien, die Wirtschaftskrisen der letzten Jahrzehnte nachvollziehen und in einem größeren historischen Kontext betrachten wollen. Wenn auch der Eindruck entstehen mag, dass manches Schaubild und manche Tabelle zuvorderst an ein Fachpublikum und nicht an Leser/innen ohne wirtschaftswissenschaftliche Vorkenntnisse gerichtet sein könnten, so ist doch der Anspruch der Allgemeinverständlichkeit im Wesentlichen erreicht. Insbesondere die ungewöhnlichen, Disziplingrenzen überschreitenden Themenstellungen und die daran orientierten Autorenteams machen dieses Buch im Verbund mit der gut lesbaren Handschrift der Herausgeber zu einer sehr lehrreichen Lektüre und für die Wissenschaft zu einem überaus anregenden Impulsgeber.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension